Die letzte originale Wilkes-Wurst ist verkauft: Jede Bitte zwecklos
Die Tür seiner Metzgerei ist geschlossen. Aber immer noch versuchen es Stammkunden am Handy. „Hast du noch ein Filet für mich?“, bitten sie Ralf Wilkes. Der Metzgermeister muss bedauernd mit dem Kopf schütteln. Denn am vergangenen Samstag (20.2.) hat den weißen Arbeitskittel für immer ausgezogen. „Sehr traurig“ – so bekennt er – war der Moment, wo er nach 44 Jahren seine letzte Wurst produzierte. Es war eine Fleischwurst. Die letzte originale Wilkes-Fleischwurst, mit der nach vier Generationen eine Familien-Tradition in Schwerte endete.
Die letzten Würste waren schon lange vor Ladenschluss ausverkauft
Die Kunden schienen den historischen Moment geahnt zu haben. Schon lange vor Ladenschluss waren die Theken so gut wie leergekauft. Der Chef selbst hatte sowieso nicht vor, sich die Erinnerung der eigenen Ware mit einem Vorrat in der Tiefkühltruhe noch länger zu erhalten. „Das verliert den Geschmack“, sagt er. Länger als ein oder zwei Wochen würde er nichts in der Frostung einlagern. Er habe auch kein Lieblingsgericht. Am besten schmeckt ihm, was die Jahreszeit bringt: „Eintöpfe im Winter, Grillfleisch im Sommer.“
Beim Nachschub für Pfanne und Frühstücks-Brettchen hat es Ralf Wilkes ja auch künftig nicht weit. Der Fleischermeister Christian Rafalcik aus Fröndenberg übernimmt zum 1. März das Geschäft an der Bahnhofstraße 19 und die Filiale am Holzener Weg. „Wir haben uns bemüht, einen guten Nachfolger zu finden, sodass den Kunden weiterhin handwerkliche Qualität in gewohnter Umgebung angeboten werden kann“, sagt Ralf Wilkes. Sehr dankbar ist er für die Unterstützung der Fleischerinnung Hellweg-Lippe – insbesondere von deren Juristen Volker Stein – bei der Suche nach einem Neuen. Genauso dankt er seinen Kunden für die langjährige Treue. Viele brachten ihre Wertschätzung an den letzten Öffnungstagen mit Blumen und anderen kleinen Geschenken zum Ausdruck. „Ein älterer Mann vom Höchsten kam sogar mit einer gebrannten Kachel von einem Künstler“, berichtet der Metzgermeister. Die bunten Keramik-Damen mit den Sonnenschirmchen müssen noch einen Ehrenplatz finden.
Der Betrieb war seit 1901 in Familienbesitz
In der vergangenen Woche war die Metzgerei wegen Betriebsferien geschlossen. Um den Betriebsübergang auf Christian Rafalcik vorzubereiten, mussten Gas-, Strom und Wasserversorgung des Geschäfts von den Zuleitungen zu den Wohnungen des Hauses getrennt werden. Zum ersten Mal seit der Erbauung im Jahre 1908 sind sie nicht mehr in gemeinsamer Familienhand. Die Metzgerei ist sogar noch älter, wie Ralf Wilkes jetzt berichten kann. „Beim Aufräumen habe ich eine uralte Fleischerzeitung gefunden“, erzählt er. Da sei in einem Artikel über die Metzgerei das Jahr 1901 genannt gewesen. Bisher war er immer von 1908 als Gründungsjahr ausgegangen worden.
„Das älteste Schwerter in Familienhand geführte Unternehmen hört auf“, sagt Ralf Wilkes. Im April 1989 hatte er es mit Ehefrau Beate von seinen Eltern Robert und Franziska Wilkes übernommen. Das bedeutete: Sechs Tage in der Woche um 4.30 Uhr aufstehen und oft noch bei der Tagesschau am Abend Bürokram zu erledigen. „Wir sind mit so einem Betrieb groß geworden und kennen es nicht anders“, sagt Beate Wilkes. Aber Nachfolger für eine solche Maloche zu finden, war nicht so einfach.
Ruheständler möchten jetzt endlich mal Deutschland kennen lernen
„Wir geben ein gut laufendes Geschäft ab“, erklärt Ralf Wilkes: „Die Arbeitsplätze sind alle erhalten.“ Außer dem von seiner Frau Beate natürlich. mit der er sich jetzt auf mehr gemeinsame Freizeit freut. Wenn im Haus Ordnung gemacht ist, geht es zu den Schwiegereltern nach Norddeutschland, die man lange nicht gesehen hat: „Und dann würden wir gerne Deutschland mal kennen lernen, wenn es Corona-bedingt mal ein bisschen freier wird.“ Endlich mal ein Urlaub, in dem man nicht an den Betrieb denken muss und ständig damit rechnen, bei einer Störung eingreifen zu müssen.