Rammstein-Sänger wehrt sich gegen Petition für Konzert-Absage „Keine Bühne für Rammstein“

Till Lindemann bei einem Rammstein Konzert
Die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Rammstein-Frontsänger Till Lindemann. Das Plattenlabel Universal Music Entertainment setzt seine Zusammenarbeit mit der Band Rammstein vorläufig aus. © picture alliance/dpa
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Der Rammstein-Sänger Till Lindemann wehrt sich juristisch gegen eine Petition, die die Absage der Berliner Konzerte am 15., 16. und 18. Juli fordert. Die Anwaltskanzlei Schertz-Bergmann, die Lindemann vertritt, hat der Kampagnenplattform Campact eine entsprechende Unterlassungserklärung geschickt. Zuerst hatte darüber „T-Online“ berichtet.

Die Kanzlei kritisiere das „Aufstellen und Verbreiten unwahrer und ehrverletzender Tatsachenbehauptungen“, zitiert T-Online aus dem Schreiben. Campact sollte die Unterlassungserklärung laut Medienberichten bis zum 7. Juli unterzeichnen, ließ diese Frist allerdings verstreichen. Die Lindemann-Anwälte drohen nun offenbar damit, vor Gericht zu ziehen.

Die Petition namens „Keine Bühne für Rammstein“ hat bereits 70.000 Unterschriften. Die Initiatorin Britta Häfemeier fordert, dass Berlin nicht als Bühne für sexuellen Missbrauch genutzt werden dürfe. Man solle die Menschen unterstützen, die sich zu den Vorfällen bei Rammstein-Konzerten öffentlich geäußert haben und Konsequenzen fordern.

Keine Ermittlungen gegen Lindemann in Litauen

Nach Berichten über Vorwürfe bei einem Rammstein-Konzert in Vilnius werden in Litauen keine Ermittlungen gegen die Musikband oder andere Personen aufgenommen. Die Staatsanwaltschaft bestätigte bereits am Freitag (23. Juni) die Entscheidung der Polizei des baltischen EU-Landes, kein Verfahren einzuleiten.

Die irische Klägerin Shelby Lynn sei nach eigenen Angaben am Tag des Konzerts in Vilnius im Mai unter Drogen gesetzt worden. Am nächsten Tag habe sie zahlreiche Hämatome an ihrem Körper festgestellt, die auf eine angebliche körperliche Misshandlung schließen ließen

In einer Presseerklärung der Anwaltskanzlei „Schertz Bergmann“, die Rammstein-Sänger Till Lindemann vertritt, heißt es: „Um die Vorwürfe von Frau Lynn weiter aufzuklären, haben wir für unseren Mandanten eigene Untersuchungen veranlasst. So wurde das Institut für Rechtsmedizin der Uniklinik Köln damit beauftragt, die von Frau Lynn veröffentlichten Lichtbilder nebst Videoclip dahingehend auszuwerten, welche Ursachen die dort gezeigten Verletzungen haben können.“ Demnach gebe es Hinweise darauf, dass die Verletzungen „ohne Fremdeinwirkung“ entstanden seien.

Plattenlabel setzt Zusammenarbeit aus

Das Plattenlabel Universal Music Entertainment setzt unterdessen seine Zusammenarbeit mit der Band Rammstein vorläufig aus. „Die Vorwürfe gegen Till Lindemann haben uns schockiert und wir haben den größten Respekt vor den Frauen, die sich in diesem Fall so mutig öffentlich geäußert haben“, heißt es in einem am Donnerstag (15. Juni) veröffentlichten Statement des Unternehmens, das der dpa vorliegt. Zuvor hatten mehrere Medien berichtet.

„Wir sind davon überzeugt, dass eine vollumfängliche Aufklärung der Anschuldigungen, auch durch die Behörden, unbedingt erforderlich ist und ebenfalls im Interesse der gesamten Band liegen muss“, schreibt das Label. „Nach Bekanntwerden der Vorwürfe haben wir die Marketing- und Promotion-Aktivitäten für die Recordings der Band bis auf Weiteres ausgesetzt.“ Damit werden die bei Universal erschienenen Alben vorerst nicht mehr beworben.

Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Lindemann

Die Geschäftsbeziehungen mit der Band umfassen laut Universal das sogenannte Recorded-Music- und Publishing-Business, nicht aber das Live- oder Merchandising-Geschäft.

Nach Berichten über Vorwürfe gegen Rammstein-Frontmann Lindemann hatte die Staatsanwaltschaft Berlin nach Angaben vom Mittwoch (14. Juni) ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet. Dies sei aufgrund mehrerer Strafanzeigen und von Amts wegen erfolgt, hieß es. Es handele sich um Anzeigen Dritter, „nicht am etwaigen Tatgeschehen beteiligter Personen“, hieß es von der Staatsanwaltschaft. Weitere Angaben könnten derzeit nicht erteilt werden, hieß es mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen und den Schutz von Persönlichkeitsrechten Beteiligter.

Vorwürfe gegen Lindemann von mehreren Frauen

Mehrere Frauen hatten in den vergangenen Wochen – teilweise anonym – Vorwürfe gegen Lindemann erhoben. Die Frauen schilderten Situationen, die sie teils als beängstigend empfunden hätten. Junge Frauen seien während Konzerten ausgewählt und gefragt worden, ob sie zur Aftershowparty kommen wollten. Dabei soll es nach Schilderungen einiger Frauen auch zu sexuellen Handlungen gekommen sein.

Lindemann hatte Vorwürfe gegen ihn bereits zurückgewiesen. Seine Interessen lässt er anwaltlich vertreten, wie die Berliner Rechtsanwälte Simon Bergmann und Christian Schertz am 8. Juni bekannt gaben. „In den sozialen Netzwerken, insbesondere auf Instagram, Twitter und bei YouTube, wurden von diversen Frauen schwerwiegende Vorwürfe zulasten unseres Mandanten erhoben“, hieß es in einer Mitteilung. „So wurde wiederholt behauptet, Frauen seien bei Konzerten von Rammstein mithilfe von K.o.-Tropfen beziehungsweise Alkohol betäubt worden, um unserem Mandanten zu ermöglichen, sexuelle Handlungen an ihnen vornehmen zu können. Diese Vorwürfe sind ausnahmslos unwahr.“

Zu den Ermittlungen der Berliner Staatsanwaltschaft gab es von den Anwälten bisher keine Stellungnahme.

Politik will mehr Schutz vor Übergriffen

Angesichts der Vorwürfe sind auch Forderungen aus der Politik nach mehr Schutz vor Übergriffen in der deutschen Kulturbranche laut geworden. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) äußerte, es müsse darüber geredet werden, wie gerade junge Menschen besser geschützt werden könnten. Sie lade die Musikbranche ein, dem Bündnis „Gemeinsam gegen Sexismus“ beizutreten. Das Bündnis sei ein breiter Zusammenschluss aus Politik, Wirtschaft, Verwaltung, Medien, Kultur und Zivilgesellschaft, sagte Paus.

Der Bundesverband der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft (BDKV) zeigte sich dazu offen. Der Verband sei mit dem Ministerium ins Gespräch gegangen, „um diesen wichtigen Prozess gemeinsam voranzubringen“, sagte ein Sprecher.

Kulturstaatsministerin Claudia Roth verurteilte Übergriffe in der Kultur scharf. „Patriarchales Mackertum und sexuelle Übergriffe haben in der Musikbranche, wie überhaupt in Kunst und Kultur und auch überall sonst, nichts mehr zu suchen“, sagte die Grünen-Politikerin. Sie begrüße den Mut vieler junger Frauen, offen über ihre teilweise traumatischen Erlebnisse zu sprechen.

mit dpa/johs

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