Tatsächlich, ich führe ein Doppel- oder Parallel-Leben“, sagt Claudia Fährenkemper mit einem Lächeln. Einerseits unterrichtet sie mit einer halben Stelle hauptsächlich Oberstufenschüler am Christophorus-Gymnasium in Kunst (außerdem lehrt sie Erdkunde). Größeren Raum nimmt im Leben der 60-Jährigen aber ihr künstlerisches Schaffen ein.
Claudia Fährenkemper fotografiert. Auf eine ganz besondere, künstlerische Art. Ihre Werke sind mittlerweile weltweit bekannt. Ausstellungen in Korea und Australien, in Großbritannien und den USA zeugen davon. Im Januar 2020 steht ein weiterer Höhepunkt an: In einer Galerie im kanadischen Toronto zeigt sie Bilder von Samurai-Rüstungen.

Das rechte Foto, Claudia Fährenkemper hat die Füße einer Amphibienlarve fotografiert, findet sich in der kanadischen Nationalsammlung. © Jörg Heckenkamp
Angefangen hat alles mit riesigen Maschinen. „Im Zuge meines Geografie-Studiums haben wir eine Expedition in den Braunkohle-Tagebau bei Garzweiler unternommen.“ Die umfassende Umwälzung der Landschaft durch Technik hat sie damals fasziniert. Noch mehr die Maschinen, die diese bewerkstelligten. Claudia Fährenkemper wollte diese Tagebau-Maschinen fotografieren.
Dazu nutzte sie eine schwere Plattenkamera mit einzelnen, großen Negativen. „20 Kilogramm Ausrüstung habe ich schon mit mir rumgeschleppt“, erzählt die gebürtige Castrop-Rauxelerin, die seit 2004 in Werne wohnt. Lohn der Mühe: Gestochen scharfe, kontrastreiche, mit viel Tiefe versehene Fotos, die auch bei großen Abzügen nichts von ihrer Brillanz verlieren.

Mit diesem Raster-Elektronenmikroskop machte die Künstlerin Aufnahmen in 25 bis maximal 3000-facher Vergrößerung. © Repro Jörg Heckenkamp
„Erst durch das gestochen scharfe Foto, das man länger und intensiv betrachtet, werden Details wahrnehmbar. Ich fotografiere, damit ich die Funktion verstehe“. 1988 war das. Nach zahlreichen Fotoexkursion war das Thema Tagebau-Maschinen für sie eigentlich erledigt.
„Doch dann kam die Wende“, erzählt sie. Und damit die Chance, den ehemaligen DDR-Braunkohletagebau mit seinen betagten Großmaschinen abzulichten. Claudia Fährenkemper packte ihre schwere Ausrüstung zusammen und fuhr gen Osten.
Vom Foto-Thema „Größe“ zum Thema „Winzig“
Danach war das Thema „Größe“ für sie ad acta gelegt. Ab 1994 widmete sie sich dem Thema „Klein“, um nicht zu sagen „Winzig‘“. „Damals kamen die ersten Mikrostruktur-Techniken auf“, sagt die lehrende Künstlerin. Mikroskopisch kleine Räderwerke und Ähnliches, die etwa medizinischen Zwecken im menschlichen Körper dienten.

Claudia Fährenkemper (60) an der Galerie im Schulflur des Gymnasiums St. Christophorus. © Jörg Heckenkamp
Claudia Fährenkemper stellte sich zwei Fragen: Wie kann ich sie überhaupt fotografieren? Und: Wie wird die Winzigkeit der Strukturen deutlich? Antwort auf 1: Per Raster-Elektronenmikroskop. Antwort auf 2: Durch den Vergleich mit Insekten. Und so entstand eine fesselnde Serie von Technik und Natur im Miniatur-Format. „In diesen Mikrokosmos bin ich für ungefähr zehn Jahre eingetaucht.“
Danach ließ sie die Technik weg, widmete sich nur noch der Natur-Mikrofotografie. Es entstanden die Serien „Insekten“, „Amphibien“, „Pflanzensamen“, „Kristalle“ und „Plankton“. Alle in 25- bis maximal 3000-facher Vergrößerung aufgenommen, alle in Schwarz-Weiß. „Bei Formen und Strukturen brauche ich keine Farbe, die wirkt eher störend.“
Werke Fährenkempers in der Öffentlichkeit zu sehen
Mittlerweile waren ihre Werke schon öfter in der Öffentlichkeit zu sehen. Sie erhielt Preise, einige Bilder von ihr hängen seit 2011 im Landwirtschaftsministerium in Berlin. Geholfen hat sicherlich ihr Fotografie-Studium von 1989 bis 1995 an der international bekannten Düsseldorfer Kunstakademie.
Mit ein wenig Stolz in der Stimme erzählt sie, dass sie an dem gleichen Institut studiert habe wie Andreas Gursky und Thomas Struht. „Und die beiden sind mittlerweile Abitur-Thema für Kunst“, sagt Fährenkemper.
„Analoge Fotografie nicht mit der digitalen zu vergleichen“
Stichwort Abitur, Stichwort Schüler. Müsste sie als Fotografin nicht froh sein, dass jeder ein Smartphone mit Kamera hat und viele Aufnahmen macht? Das sei ein zweischneidiges Schwert, antwortet sie: „Die analoge Fotografie mit Abzügen ist mit der digitalen überhaupt nicht zu vergleichen.“
Auf ihren Aufnahmen seien viel mehr Details zu erkennen. „Fotografie ist Wahrnehmungs-Schulung und Wissensaneignung durch genaues Hinschauen.“ Es gehe darum, genau hinzugucken und Dinge zu verstehen. Das sei bei Schnappschüssen nicht möglich. „Ein gutes Bild hat keinen Zufall“, sagt sie. Das wolle sie ihren Schülern beibringen.
Schüler-Abzüge mindestens in Größe DIN A4
Technisch wolle sie ihre Schützlinge so weit bringen, „dass sie ihre Bilder in guter Druckqualität bis mindestens der Größe von DIN A4 liefern können“. Das sei eigentlich nur mit altbekannter analoger Fotografie und entsprechenden Abzügen möglich.
Wie sie das macht, wie ihre Bilder dadurch eine magnetische Tiefenwirkung bekommen, davon können sich Besucher ihrer Ausstellung in Kanada ab Januar 2020 ein Bild machen. Claudia Fährenkemper, Kunstlehrerin mit Halbtagsstelle am Christophorus-Gymnasium, zeigt dort für einen Monat Bilder von prunkvollen Samurai-Rüstungen.
Mit einer kleinen Premiere: Erstmals sind darunter Farbfotografien zu finden.
Jeden Tag Menschen hautnah - nichts ist spannender als der Job eines Lokalredakteurs. Deshalb möchte ich nichts anderes machen - seit mehr als 35 Jahren.
